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Matthias Senn: «Die Investitionen brachten Kriens klaren Mehrwert»

Bau- und Planungsprojekte haben den Alltag von Matthias Senn in den vergangenen Jahren geprägt. Die städtebauliche Planung für das Gebiet LuzernSüd, die Ortsplanungsrevision 2013 oder die Zentrumsprojekte waren wichtige Stationen. Jetzt tritt er ab und übergibt sein Amt seinem Nachfolger Maurus Frey.

Was hat dich am meisten beeindruckt in deiner Zeit im Stadtrat?

«Wir haben im Stadtrat stets hart gerungen – letztlich aber haben wir in wichtigen Fragen eine gemeinsame Lösung gefunden. Dieses Ringen um eine gemeinsame Haltung hat mich immer beeindruckt. Das bedingt auch, dass sich alle Beteiligten stets für die gemeinsame Sache einsetzten und nicht einfach versuchten, eigene Interessen zu vertreten.»

Das widerspricht der Aussage, der aktuelle Stadtrat sei uneinig gewesen?

« Ich habe das aber absolut nicht so empfunden. Und ich war da bei deutlich mehr Stadtratssitzungen dabei als diese kritischen Stimmen… Wir haben in den letzten 12 Jahren fast alle wichtigen Projekte und Vorlagen beim Einwohnerrat und bei der Stimmbevölkerung durchgebracht, und das geht nur mit einer geschlossen auftretenden Exekutive.»

Welches Geschäft war die härteste Knacknuss?

« Die Zentrumsprojekte erforderten die grösste Überzeugungsarbeit und bei den Hergiswaldbrücken und beim Bebauungsplan Eichhof West mussten wir mehr als einmal in den Einwohnerrat. »

Nehmen wir das Unerwartete zuerst. Die Hergiswaldbrücken. Warum dieses?

«Nun, das war eines meiner Herzensprojekte. Schon in der Entstehung. Und je härter die Knacknuss wurde, desto mehr wuchs es mir ans Herz. Bis zum genehmigten Baukredit brauchte es drei Anläufe im Einwohnerrat und für die denkmalgerechte Instandsetzung der alten Brücke brauchte es den Einsatz für die zusätzliche Finanzhilfe vom Bund. Das ist aussergewöhnlich und verbindet. Die rein technische Frage, die Verkehrsverbindung ins Eigenthal sicherzustellen, konnte kombiniert werden mit der Chance, einen historischen Bau und damit einen Zeitzeugen zu bewahren. Ich musste mit meinen Mitarbeitern hart für diese Vision kämpfen. Letztlich aber hat es sich absolut gelohnt. Ich finde, das Duett der beiden Brücken ist enorm gelungen und stimmig.»

Das Zentrumsprojekt hast du als zweiten Meilenstein angeführt. Warum?

 «Der 9. Februar 2014 war sicher der emotionale Höhepunkt meiner Laufbahn. Ich erinnere mich noch gut, wie wir in den alten Teiggi-Räumen politische Exponenten und Medien versammelt hatten. Die Anspannung bis zur Bekanntgabe des Resultats der Volksabstimmung durch Stadtschreiber Guido Solari war unbeschreiblich. Mit Freudetränen in den Augen durfte ich dann das Resultat kommentieren. Dass es gelungen war, das Stimmvolk für einen Kredit von 61 Millionen Franken zu überzeugen, hatte mich damals enorm gefreut. Die Zustimmung war ja kein Zufallsergebnis.»

Und wenn Du die Projekte heute ansiehst: Ist die Skepsis wirklich so gross, wie im Zuge der jüngsten Aufarbeitung der Kostenüberschreitungen behauptet wurde?

«Ich bin überzeugt, dass die Menschen in Kriens mit den Projekten an sich in einer grossen Mehrheit zufrieden sind. Nehmen Sie den Neubau Eichenspes für Feuerwehr und Werkhof mit der Freizeitanlage Langmatt oder das Schappe Kulturquadrat – da hat doch Kriens einen klaren Mehrwert. Nicht vergessen darf man die beiden Desinvestitionsprojekte Wohnwerk Teiggi und Lindenpark, die das Zentrum sehr aufwerten. Und ja, auch das Stadthaus bietet Kriens enorm viel. Heute schon – und in einigen Jahren erst recht. Wir haben Wort gehalten, auch wenn es in einem solchen Projekt während einer langen Planungszeit immer mal wieder zu Anpassungen kommen kann. Die Kostenüberschreitungen sind unschön, absolut. Aber sie haben viele Gründe und Ursachen und wir haben sie immer transparent kommuniziert.»

Deine Zeit wird auch als jene in Erinnerung bleiben, in der viel investiert wurde. Wie hast du das erlebt?

«Das stimmt schon. 281 Mio. Franken haben wir in diesen 12 Jahren, in denen ich im Stadtrat war, investiert. Aber Kriens hat auch was davon. Im Schappe Kulturquadrat können in den gemieteten Räumen Events stattfinden, , die Musikschule belebt den Ort täglich. Auf dem Stadtplatz finden auch Veranstaltungen statt. Und es gibt die Investitionen, die man nicht sieht wie die Wasserversorgung, in deren Netz wir in den letzten Jahren sehr viel investiert haben. Dort konnten wir die Rohrleitungsbrüche von 60 auf 20 pro Jahr senken. Das ist ein klarer Mehrwert für Kriens – auf verschiedensten Ebenen.»

Oft hört man aktuell den Vorwurf, das Zentrum sei gar nicht belebter als vorher.

«Sehen Sie: Kritiker findet man immer. Das gehört dazu – denn die eigene Meinung darf jeder vertreten. Ich bin aber sicher, dass wir Zukunft geschaffen haben mit den Projekten. Nun sind die Bauarbeiten fertig, das Zentrum findet seine neue Identität. Gerade das Wohnwerk Teiggi und der Lindenpark haben viele öffentliche und halböffentliche Nutzungen im Erdgeschoss. Sicher ist nicht alles perfekt, noch fehlen auch Verbindungsstücke. Aber insgesamt haben wir jetzt gute Voraussetzungen. Für Leben im Zentrum müssen wir alle jetzt sorgen. Das ist in der Dimension noch einmal eine andere Aufgabe als etwa in einer in sich geschlossenen Wohnüberbauung.»

Aber ein Gastro-Betrieb etwa fehlt im Stadthaus?

«Diese Idee bestand mal, das ist richtig. Letztlich aber stand bei der Entwicklung des Gebäudes die Frage im Zentrum, wie wir mit unserem Partner zusammen eine für alle tragfähige und finanzierbare Gesamtlösung erreichen. Gefragt sind nun gute Ideen für das alte Bahnhöfli, ergänzende Gestaltungselemente auf dem Stadtplatz und eine geschickte Lösung der Verkehrsfrage im Zentrum, damit die Aufenthaltsqualität gewinnt. »

Siehst Du das Ja von damals zu den Zentrumsprojekten als Ihren Sieg?

«Es war ja nicht ‘mein’ Projekt, sondern ein Projekt für Kriens. Wir haben uns damals für ein Gesamtprojekt eingesetzt, von dem wir überzeugt waren. Es ist uns dann gelungen, mit Argumenten das Vertrauen der Bevölkerung zu erarbeiten. Gewonnen hat aus meiner Sicht Kriens. Zudem war es beeindruckend, wie sich der gesamte Gemeinderat, die grosse Mehrheit des Parlaments und der Parteien sowie viele Vereine und Institutionen mit viel Überzeugungsarbeit für das Projekt eingesetzt hatten. »

Aber in der Politik geht es ja doch darum, Mehrheiten für eine Idee zu gewinnen. Wenn man das schafft, hat man gewonnen…

«Ja klar. Ich habe in meiner Zeit im Gemeinde- und Stadtrat 66 Geschäfte als Bericht und Antrag ins Parlament gebracht. 61 wurden genehmigt, 1 zurückgewiesen, 4 abgelehnt. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen darf. Dazu hatte ich 8 Geschäfte in Volksabstimmungen zu vertreten. In sieben folgte das Stimmvolk dem Antrag der Regierung, nur bei der Auszonungs-Initiative Meiersmatt waren wir erst im zweiten Anlauf erfolgreich.»

Wo würdest du heute im Rückblick betrachtet anders entscheiden?

«Bei der Departementsreform 2016. Bei der Aufteilung der Aufgaben braucht es noch Justierungen. Doch besonders der Zeitpunkt war unglücklich. Durch den Wechsel der Immobilien vom Bau zu den Finanzen konnte ich das Zentrumsprojekt nicht zu Ende begleiten – und Franco Faé wurde ins kalte Wasser geworfen.»

Das hatte ja damit zu tun, dass der Immobilienbereich ins Finanzdepartement wechselte.

«Dieser Entscheid war sicher nicht falsch. Es macht aus meiner Sicht nach wie vor Sinn, dass die Immobiliendienste, die für die Stadt Neubauten erstellt, nicht dort angesiedelt sind, wo auch die Bewilligungsbehörde ist. Nein, durch den Moment des Wechsels entstanden auf dem Höhepunkt der Investitionstätigkeit zusätzliche Herausforderungen, es gab Mehraufwand und Franco Faé musste sich viel Wissen zuerst erarbeiten.»

Was machst du nach dem 1.9.2020?

Also zuerst gönne ich mir eine Auszeit von ein paar Wochen. Als Stadtrat ist man eigentlich immer irgendwie in der Verantwortung – nicht nur in diesem Corona-Jahr, in dem ich ja auch noch den Führungsstab geleitet habe. Aber ich verspüre noch genügend Energie, als dass ich mich schon zurückziehen könnte. Ich werde als diplomierter Bauingenieur ETH SIA deshalb mein Fachwissen in Planungsprozessen weiterhin zur Verfügung stellen und mit dem früheren Ingenieurbüro Senn + Partner AG die Sparte Dienstleistungen wieder aktivieren Zudem stelle ich mich für das Präsidium des Verwaltungsrats der Sonnenbergbahn AG zur Verfügung und werde somit ehrenamtlich weiterhin für eine Einrichtung der Stadt Kriens tätig sein.»

Dann wird man dich noch da und dort antreffen?

Ich habe gemerkt, dass ich in diesen vielen Jahren auf der politischen Bühne ein sehr wertvolles Netzwerk aufbauen und mir viel Detailwissen aneignen konnte. Das ist gefragt. Die Begleitung von Planungsprozessen stellt viele Gemeinden und private Bauherrschaften vor grosse Herausforderungen.»

… zumal Bauen generell ja nicht einfacher geworden ist in den vergangenen Jahren!

« Die Erwartungen an qualitativ hochstehende Planungsprozesse sind in den letzten 12 Jahren stark gestiegen und Fachgebiete wie Mobilität, Energie, Grünplanung und Sozialräume gewannen an Bedeutung. Die Politik legt den Massstab fest. Ich werde diese Fragen jetzt auch noch von einer anderen Warte aus betrachten. »

Eine letzte Frage: Wo saiehst Du Kriens in 10 Jahren?

«Die Zukunft ist aufgrund der Finanzsituation herausfordernd. Aber ist sehe das trotzdem eher positiv. Kriens hat in den letzten Jahren unheimlich viel Dynamik und neue Facetten entwickelt. Die neue Finanzstrategie zeigt nun einen Weg auf, wie man die aktuell belastende Situation der Finanzen anpacken kann. Dann kann sich Kriens als attraktive Wohngemeinde weiterentwickeln. Es gilt, in den neuen Quartieren von Kriens Mattenhof die einzelnen Areale zu einem grossen Ganzen zusammenwachsen zu lassen. Wenn man sie nicht als Gegenentwurf, sondern als Teil des Gesamtangebotes von Kriens wahrnimmt, hat Kriens gute Aussichten.»

Interview-Serie zum Abschied der amtierenden Stadtrats-Mitglieder
27.8. Franco Faé
28.8. Judith Luthiger 
29.8. Matthias Senn 
30.8. Lothar Sidler (folgt)
31.8. Cyrill Wiget (folgt)

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